Aktueller Stand
Nachdem das deutsche Elektrogesetz zuletzt im Oktober 2015 (mit Übergangsfristen bis August 2018) auf Basis der vorhergehenden WEEE2-Novelle aktualisiert worden war (ElektroG2), wurden zum Jahreswechsel 2019/2020 Stimmen laut, welche von einer bevorstehenden, weiteren Anpassung des Gesetzes noch in dieser Legislaturperiode der Bundesregierung (mithin also bis September 2021) berichteten. Der Referentenentwurf eines möglichen neuen ElektroG3 sollte noch vor der Sommerpause 2020 vorgelegt und danach diskutiert werden. Dies geschah jedoch nicht. Erst Mitte September 2020 wurde dann der Entwurf offiziell auf den Webseiten des BMU veröffentlicht. Als dann der Bundesrat am 9. Oktober 2020 die Umsetzung der neuen EU-Abfallrahmenrichtlinie billigte, hatte dies teilweise schon direkte Auswirkungen auf das Elektrogesetz. Das Gleiche gilt für das am 29. Oktober 2020 in Kraft getretene Kreislaufwirtschaftsgesetz. Das formale Gesetzgebungsverfahren begann dann mit der Notifizierung des ElektroG3 an die EU am 2. Dezember 2020: Das Bundeskabinett beschloss am 16. Dezember 2020 den neuen Entwurf, der dann als Ausschussempfehlungen am 12. Februar 2021 im Bundesrat vorlag. Die dort verabschiedete Version wurde dann am 26. Februar 2021 mit einer Gegenäußerung der Regierung beantwortet, und am 4. März 2021 in erster Lesung im Bundestag in den Umweltausschuss verwiesen. Nach der öffentlichen Anhörung dort wurde eine Beschlussempfehlung in den Bundestag gebracht, die am 15. April 2021 verabschiedet wurde. Da der Bundesrat am 7. Mai 2021 grünes Licht gegeben hat, wurde das neue Gesetz veröffentlicht und gilt ab Januar 2022.
Neue Haftung für Marktplatzbetreiber und Fulfillment-Dienstleister
Ausländische Hersteller und Händler vertreiben ihre Elektro- und Elektronikgeräte zunehmend auf elektronischen Marktplätzen wie Amazon oder eBay, aber auch auf den chinesischen Plattformen AliBaba/AliExpress oder Wish. Die Artikel werden darüber hinaus gerne bei einer dieser Plattformen oder einem externen Fulfillment-Dienstleister physikalisch eingelagert, um diesem im Rahmen des sogenannten Dropshippings oder Warehousings alle Prozesse des Lagerns, Verpackens, Versendens sowie, bei Bedarf, Zurücknehmens als Retoure zu überlassen. Viele dieser Anbieter sparen sich jedoch die eigentlich fällige Bestellung eines Bevollmächtigten sowie die Registrierung bei der Stiftung EAR samt aller Folgepflichten darunter vor allem die Finanzierung der Entsorgung ihrer Geräte.
Bisher konnten die Marktplatz-Betreiber und Fulfillment-Dienstleister eigene Kontroll- und Sanktionspflichten für solche schwarze Schafe erfolgreich vermeiden, während die Trittbrettfahrer (Freerider) selbst im Ausland kaum zu verfolgen sind. Erst in den letzten Jahren kam Bewegung in diese Situation, da der Staat begann, gegen die gleichzeitige, massive Hinterziehung von Umsatzsteuern durch ebenjene Player vorzugehen. Dies fungierte als eine Art Katalysator, sodass nun auch die Product Compliance der Anbieter in den Fokus geriet. Das BMU stellte Anfang des Jahres 2020 ihre neue Umweltpolitische Digitalagenda vor, in der es u.a. um die Sanktionierung von Drittland-Trittbrettfahrern geht.
Das ElektroG3 weitet die Haftung von reinen Marktplatz-Betreibern und Fulfillment-Dienstleistern auf die regelmäßige Prüfung der dort angebotenen bzw. verarbeiteten Elektro- und Elektronikgeräte aus. Nicht ordnungsgemäß registrierte Produkte dieser Art dürfen nicht mehr vertrieben bzw. versendet werden, ansonsten drohen neben den Herstellern und Händlern auch den Plattformbetreibern und Dienstleistern hohe Bußgelder sowie potentielle zivilrechtliche Maßnahmen wie beispielsweise Abmahnungen.
Der Erfolg dieser Regelungen bliebe allerdings abzuwarten. Weiterhin dürfte es schwierig bleiben, Marktplätze und Fulfillment-Provider mit Sitz im Ausland zu sanktionieren, hier vor allem die Plattformen aus China wie AliBaba/AliExpress und Wish, aber auch im EU-Ausland.
Neue Rücknahmepflichten im Handel
Angesichts der weiterhin geringen und sogar sinkenden Sammelquoten für alte Elektrogeräte, wird in Berlin schon seit Jahren über weitere potentielle Erfassungsmöglichkeiten zwecks Erhöhung dieses Wertes auf den aktuell geforderten Wert von 65% nachgedacht. Zuletzt rückte neben den Besitzern professioneller Altgeräte vor allem der stationäre und elektronische Handel in den Fokus. Das ElektroG2 führte für große Vertreiber mit Laden-, Lager- und Logistikflächen für Elektro- und Elektronikgeräte von mehr als 400qm bereits entsprechende, direkte Rücknahmepflichten ein. Das ElektroG3 weitet diese Aufgaben nun einerseits deutlich aus und schließt andererseits offenbar gewordene Schlupflöcher des Vorgängergesetzes:
- Rückgabe von Altgeräten im Lebensmittel-Einzelhandel: Die meisten Supermärkte mussten auch nach Inkrafttreten des ElektroG2 weiterhin keine Elektroaltgeräte zurücknehmen, obwohl sie im Nonfood-Bereich durchaus regelmäßig Neugeräte anboten und die Flächengrenze von 400qm zumeist überschritten. Dies ging auf die Tatsache zurück, dass im Schnitt eben keine Regalstandfläche dieser Größe für Elektro- und Elektronikgeräte vorgehalten wurde. Laut ElektroG3 sollen auch Lebensmittelmärkte mit einer Verkaufsfläche von min. 800qm (über alle Produkte) nach den bekannten 0:1- bzw. 1:1-Regeln Altgeräte kostenfrei von Verbrauchern zurücknehmen müssen, wenn sie neue Geräte zumindest gelegentlich im Angebot haben.
- Kostenfreie Rücknahme: Verbraucher sollen unter dem ElektroG3 ihre alten Elektro- oder Elektronikgeräte immer komplett kostenlos an einen Händler zurückgeben oder -senden können. Gerade im Online-Handel waren die aufgerufenen Rückversandkosten ein gerne genutztes Schlupfloch des bisherigen Elektrogesetzes, mit dem die Abgabe alter Geräte bis zur Unmöglichkeit erschwert wurde. Im Direktvertrieb soll die Rücknahme immer in zumutbarer Entfernung zum Ort der tatsächlichen Übergabe erfolgen, in aller Regel also an der Haustür. Der Verweis auf Wertstoffhöfe war bisher schon gesetzlich verboten. Die Rücksendung per Paket wurde von der Umwelthilfe erfolgreich vor Gericht torpediert. Hier stellen sich auch regelmäßig Probleme aufgrund möglicher in den Altgeräten enthaltener Gefahrstoffe wie Quecksilber aus gebrochenen Energiesparlampen oder Lithiumbatterien.
- Informationspflichten im Handel: Wiederverkäufer müssen Verbraucher über ihre Rechte zur kostenfreien Rückgabe von Elektroaltgeräten aktiv informieren. Darüber hinaus müssen sie diese sogar beim Kauf eines Neugerätes nochmals individuell über diese Möglichkeiten aufklären und sogar nach dementsprechenden Wünschen befragen.
- Maximale Größe von kleinen Geräten: Bei dazu verpflichteten Händlern können unter dem ElektroG3 pro Rückgabe jeweils bis zu 3 Altgeräte bis zu einer Kantenlänge von max. 25cm je Geräteart entsorgt werden, ohne dass ein Neukauf notwendig ist. Onlinehändler müssen die Abholung und Entsorgung großer Altgeräte aktiv anbieten (Kategorien 1, 2, 4) und Rückgabemöglichkeiten für kleine Geräte und Lampen (Kategorien 3, 5, 6) in zumutbarer Entfernung schaffen.
Neue Herstellerpflichten
Auch Hersteller und Erstinverkehrbringer neuer Elektro- und Elektronikgeräte haben verschiedene neue Aufgaben:
- Hinweispflichten auf kostenfreie Rücknahme: Hersteller von B2C-Neugeräten müssen ebenso wie verpflichtete Händler Verbraucher regelmäßig auf die Möglichkeiten zur kostenfreien Rückgabe von Altgeräten hinweisen.
- Hinweispflichten für batteriebetriebene Elektrogeräte: Elektro- und Elektronikgeräten, welche Batterien oder Akkus enthalten, müssen Informationen über deren Typ und chemisches System beigefügt werden. Dies soll es Dritten ermöglichen, besondere Gefahren oder Abhängigkeiten zu berücksichtigen, beispielsweise hinsichtlich möglicher enthaltener Schadstoffe, vor allem jedoch aufgrund von Brandrisiken aus lithiumhaltigen Batterien.
- Entnehmbarkeit: Batterien und Akkumulatoren sollen mit handelsüblichem Werkzeug vom Endnutzer oder unabhängigem Fachpersonal aus Altgeräten bei der Rückgabe problemlos und zerstörungsfrei entnommen werden können. Hersteller müssen außerdem Informationen dazu beifügen.
- Kennzeichnung von B2B-Geräten: Auch professionelle Elektro- und Elektronikgeräte müssen mit dem Symbol des durchgestrichenen Mülleimers versehen werden. Dies war unter den beiden bisherigen Elektrogesetzen uneindeutig geregelt und im Zweifelsfall eine überschießende Kennzeichnung. Da jedoch im EU-Ausland die Kennzeichnung oft verpflichtend vorgeschrieben ist, führt die neue Kennzeichnungspflicht zu einer Harmonisierung der Anforderungen und damit auch zu reduzierten Aufwänden für unterschiedliche Länderversionen. Bereits produzierte Lagerware muss allerdings nicht nachträglich gekennzeichnet werden, wenn die Geräte bis 31. Dezember 2022 in Verkehr gebracht werden.
- Hinweispflichten für B2B-Geräte: Hersteller professioneller Elektro- oder Elektronikgeräte müssen unter dem ElektroG3 ebenfalls wie bisher auch schon B2C-Hersteller verschiedene Pflichthinweise gegenüber den Nutzern der Produkte ausbringen. Neben der Erläuterung des Hintergrunds des oben erwähnten Mülleimer-Symbols, müssen sie über die Rückgabemöglichkeiten von Altgeräten und die Eigenverantwortung der Nutzer zum Löschen ihrer privaten Daten vor der Entsorgung informieren.
- Rücknahmekonzept für B2B-Geräte: Hersteller von professionellen Geräten müssen im Rahmen der Erstregistrierung der Gemeinsamen Stelle, Stiftung EAR, ein Konzept zur Rücknahme und Verwertung der entsprechenden Altgeräte präsentieren, welches geprüft und akzeptiert werden muss. Hersteller, die vor dem 1. Januar 2022 bereits registriert sind, müssen erst bis zum Ablauf des 30. Juni 2022 der zuständigen Behörde ein Rücknahmekonzept vorlegen.
- Bevollmächtigung: Onlinehändler aus Drittstaaten müssen ab Januar 2023 hierzulande Bevollmächtigte einsetzen. Die Bevollmächtigung muss mindestens drei Monate wirksam sein und eine Gewähr ist nötig für die Pflichterfüllung ab 20 Registrierungen pro Bevollmächtigtem.
Sonstige Neuerungen
Das neue Elektrogesetz sieht u.a. außerdem folgende weitere Neuerungen vor:
- Sammelstellenlogo: Das einheitliche Sammelstellenlogo steht bereit und muss genutzt werden (§ 12); was bedeutet, dass Endnutzer auf die Sammel- und Rücknahmestellen durch die von der Gemeinsamen Stelle entworfene einheitliche Kennzeichnung hingewiesen werden sollen.
- Erstbehandlungsanlagen werden Annahmestellen: Zertifizierte Erstbehandlungsanlagen dürfen Annahmestellen sein. Somit sind ÖrE, Vertreiber, Hersteller und Erstbehandlungsanlagen mögliche Rückgabestellen für private Endverbraucher. Beim Bereitstellen der Altgeräte an Übergabestellen durch die ÖrE soll die Einsortierung der Altgeräte von Mitarbeitern der Anlage vorgenommen oder zumindest beaufsichtigt werden. Die Behältnisse müssen so befüllt werden, dass ein Zerbrechen der Altgeräte, eine Freisetzung von Schadstoffen und die Entstehung von Brandrisiken vermieden wird. Die Altgeräte dürfen in den Behältnissen nicht mechanisch verdichtet werden. Die Einsortierung der Altgeräte, insbesondere der batteriebetriebenen Altgeräte, in die Behältnisse hat an den eingerichteten Übergabestellen durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger oder unter seiner Aufsicht zu erfolgen.
Weitere neue Verpflichtungen aus anderen Gesetzen
Neben dem neuen Elektrogesetz werden auch aus anderen anwendbaren gesetzlichen Regelungen noch weitere Anforderungen erwartet, welche von den betroffenen Herstellern bzw. Händlern umzusetzen sein werden. Diese können ggf. auch schon vor dem Inkrafttreten des ElektroG3 relevant werden:
- Informationspflichten für Hersteller: Hersteller neuer Elektro- und Elektronikgeräte sollen in Umsetzung der Abfallrahmenrichtlinie zukünftig jährlich über die Erreichung der gesetzlich geforderten Sammelquote von Altgeräten (aktuell 65%) sowie der Verwertungsquoten in § 22 ElektroG öffentlich informieren müssen.
- Rücknahmestrukturen von B2B-Herstellern: Hersteller professioneller Geräte sollen unter dem ElektroG3 die finanziellen und organisatorischen Mittel für die Rücknahme und Entsorgung der von ihnen neu in Verkehr gebrachten Artikel vorhalten müssen. Diese Anforderung resultiert ebenfalls aus der Adaptierung der
- Abfallrahmenrichtlinie. Die Bundesregierung weist darauf hin, dass damit ausdrücklich keine versteckte finanzielle Garantie für den Insolvenzfall gemeint ist, sondern vielmehr Maßnahmen in Eigenverantwortung der Verpflichteten.
- Obhutspflicht für Händler: Um gegen die Vernichtung eigentlich noch gebrauchsfähiger Retouren vorzugehen, wurde im September 2020 das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) um verschiedene Ver- und Gebote für Wiederverkäufer erweitert, welche unter dem Sammelbegriff Obhutspflicht geführt werden. Dazu zählt vor allem natürlich das Verbot, intakte Elektro- und Elektronikgeräte vor oder nach Rücksendung an den Händler durch eine Entsorgung dem Markt zu entziehen, obwohl diese, ggf. nach einer Instandsetzung oder Wiederaufbereitung, noch benutzbar wären. Vertreiber müssen aber zukünftig auch Verzeichnisse über alle Retouren und deren Verbleib führen, wobei die genauen Prozesse und Kontrollmaßnahmen noch nicht feststehen.